Sprache Macht (Un)Ordnung

Wenn Ordnungen mit machtvollen Normen und schwer zu verrückenden Geltungsansprüchen einhergehen, dann kann es als (sprichwörtliche) Chance gelten, dass Krisen Unordnung hervorbringen. Im Vortrag geht es um sprachliche Ordnungen der Schule – zunächst als monolingualer Habitus bekannt geworden – und schüler:innenseitige Stiftungen von Unordnung, deren Bedeutung als transformatives Potential für Schule und Unterricht analysiert werden.

Während vor dem Hintergrund immer mehr grenzüberschreitender Migration, verstanden als Antwort auf globale Ungleichheiten und wachsende Möglichkeiten zur selbstbestimmten Veränderung von Lebensumständen, die Sprachpraxen von Schüler:innen von Diversität und Translingualität geprägt sind, führt Schule, historisch injiziert, nationale Ordnung als sprachstiftendes Narrativ fort und präsentiert Schüler:innen in Lehrmaterialien und Praktiken ein monolinguales ‚Wir‘ (Heidrich et al. 2021; Karakayalı 2020; Steinbach et al. 2020) – den ‚Faden der Nation‘ (Duval 2016) permanent in die Strukturen der Institution einwebend. Die Reproduktionen von Ungleichheiten weisen trotz langjähriger Erfassung und Analyse immense Beharrungstendenzen auf und widersprechen den Ansprüchen einer sich als gerecht verstehenden Gesellschaft fundamental.

Über sprachbezogene Ordnungen der Schule (re-)produzierte Ungleichheiten werden von linguizismuskritischen Perspektiven (Dirim 2010) als rassialisierend gefasst und kritisiert. Im Feld Schule wird das Wissen über Ungleichheitsproduktionen jedoch überwiegend in Förderdiskurse übersetzt, die unter Bedingungen eines Normalisierungsregimes stattfinden und die Ungleichheitsherstellung fortführen: Gefördert werden linguizistisch Veranderte mit dem Ziel der Angleichung an diejenigen, die ihre Deutungshoheit über legitime schulische Sprachpraxen nicht zur Diskussion stellen. Die fehlende sprachliche Passung wird der Schule als von ihr verantwortetes Problem zugeschrieben, die Lösung jedoch in Form von Kompensationsleistungen von den Schüler:innen eingefordert. Dass diese Kompensationsleistung bisweilen unrealistisch ist, strukturell von Klassismen durchzogen bleibt, und im Erfolgsfall die Subjekte gar nicht vor Diskriminierung bewahrt, bleibt un-thematisiert; genauso wie ihre Kosten für die Subjekte, die sich der hierarchisierenden Sprachordnung zu unterwerfen haben.

Derweil bringen die multilingualen, ethnolektalen und Translanguaging-Praktiken von Schüler:innen die machtvolle Sprachordnung von Schule längst in Unordnung. Der Vortrag schaut auf Forschung aus dem in raciolinguistics etablierteren asiatischen (Gube/Gao 2019) und US-amerikanischen Raum (Buchholtz/Casillas/Lee 2018) und fragt nach denkbaren postnationalen Transformationen von Schule jenseits von assimilativem Sprachenlernen hierzulande.

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