Zwischen globalen Krisen und nachhaltiger Transformation: Kritische Reflexion einer Bildung für nachhaltige Entwicklung mit Perspektiven aus dem Globalen Süden

Die Menschheit überschreitet mit ihrem Wirken die ökologischen Grenzen des Planeten. Auch bestehen weiterhin große soziale Herausforderungen, so hat die Corona-Pandemie weltweit zu einer Zunahme von Armut und Ungleichheit geführt. Zur Bewältigung dieser Krisen bedarf es einer „Großen Transformation“ (WBGU 2011), die durch eine nachhaltige Entwicklung erreicht werden soll (Kopfmüller et al. 2001; Ott & Döhring 2004). Leitlinien für diese Transformation zeigen die Sustainable Development Goals (SDGs) auf (UN 2015).

Seit Ende der 1990er Jahre wird im bildungswissenschaftlichen Diskurs sowie der Bildungspraxis verstärkt Bezug auf eine nachhaltige Entwicklung genommen. In diesem Kontext ist das Konzept einer „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) als pädagogische Antwort auf die globalen Krisen entwickelt worden (Michelsen & Fischer 2019; Rieckmann 2022). BNE zielt darauf ab, Menschen zu befähigen, sich an gesellschaftlichen Lern-, Verständigungs- und Gestaltungsprozessen für eine nachhaltige Entwicklung, der Umsetzung der SDGs und damit der Förderung der „Großen Transformation“ zu beteiligen. Die Lernenden sollen – als „Nachhaltigkeitsbürger:innen“ (Rieckmann & Schank 2006) – selbst über Fragen einer nachhaltigen Entwicklung nachdenken und ihre eigenen Antworten finden können. Zugleich kann BNE als transformative Bildung (Koller 2022; Scheunpflug 2019) betrachtet werden. Ein „conceptual change“, das heißt die Veränderung von grundlegenden Orientierungen (Einstellungen, Werten, Paradigmen und Weltanschauungen) (Scheunpflug 2019, 65), kann durch BNE befördert werden (Sterling 2011).

Für eine Transformation im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung bedarf es aber auch struktureller Veränderungen (WBGU 2011). Daher sollte BNE nicht nur die Ebene individuellen Verhaltens – und den dafür nötigen Wissens- und Kompetenzerwerb sowie eine entsprechende Werteorientierung – fokussieren, sondern auch die Frage nach den Strukturen aufwerfen. BNE sollte zur (politischen) Bildung von Nachhaltigkeitsbürger:innen beitragen, die befähigt sind, die bestehenden Strukturen in Frage zu stellen, über diese hinauszudenken und somit zur strukturellen Transformation beitragen zu können (Balsiger et al. 2017; Rieckmann 2017, 2020; Rieckmann & Schank 2016).

Diese disruptive Dimension wird in den BNE-Diskursen im Globalen Süden häufig stärker betont, als das im hiesigen Diskurs der Fall ist. BNE-Ansätze aus dem Globalen Süden (u.a. transgressives Lernen, postkoloniale Perspektiven) können damit Anregungen zur kritischen Reflexion und Weiterentwicklung von BNE geben.

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